Vorstellung vs. Realität:
Im Gespräch mit einem Neugründer

Neugründung

Es gibt viele How-Tos, die dir dabei helfen sollen, erfolgreich zu gründen. Leider sieht die Realität oft anders aus, als die Musteranleitungen vermuten lassen – unerwartete Hürden können auftreten. Das kann Gründer Mark (29) aus eigener Erfahrung bestätigen. Er und seine zwei Mitgründer haben ihr Unternehmen (Zweck: Herstellung und Vermarktung von physischen Produkten) im Februar im Rhein-Main-Gebiet gegründet. In einem Interview teilt Mark seine Tipps mit uns und verrät dir, was du beim Gründen unbedingt beachten- und auf welche Dinge du vorbereitet sein solltest.

Von der Rechtsform bis zur Steuererklärung – Neugründung einfach erklärt!

"Ich bin davon überzeugt, dass reines Durchhaltevermögen schon die Hälfte von dem ausmacht, was erfolgreiche und nicht erfolgreiche Entrepreneure voneinander unterscheidet."

1. Du hast vor der Gründung deines Unternehmens bestimmt viel recherchiert. Wie war die Gründung für dich und hat sich die Realität von deinen Vorstellungen unterschieden?

Mark: Tatsächlich habe ich beispielsweise viel über den Gesellschaftsvertrag und die sonstigen bürokratischen Herausforderungen gelesen. In der Realität war alles ehrlicherweise weniger aufregend, aber vor allem deutlich langwieriger als gedacht. Zum einen haben wir mit unserem Notar circa acht Mal Pingpong gespielt, bis endlich alle Fehler korrigiert waren, und zum anderen haben sich das Handelsregister und insbesondere das Finanzamt mit der Bearbeitung der Handelsregistereintragung, beziehungsweise dem Ausstellen der Steuernummer viel Zeit gelassen. Letztendlich habe ich im Juni 2021– 13 Wochen nach meiner Antragsstellung – endlich die Umsatzsteueridentifikationsnummer erhalten, welche die unabdingbare Basis für alle weiteren Geschäftsaktivitäten bildet.

2. Welche unerwarteten Probleme könnten bei der Gründung auftauchen?

Mark: Welche Rechtsform ist die Richtige für meine Unternehmensgründung? Diese Frage ist entscheidend, aber anfangs nicht immer so leicht zu beantworten. Falls man sich für eine Kapitalgesellschaft entscheidet, so wie ich und meine Mitgründer, stellt sich zudem die Frage, ob man die „eigenen“ Anteile persönlich oder über eine vermögensverwaltende Unternehmergesellschaft (UG) oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) halten möchte. Eine vermögensverwaltende Unternehmergesellschaft hat unter anderem steuerliche Vorteile und ist in der Startup-Szene relativ weit verbreitet.

3. Dann gehen wir die Probleme mal der Reihe nach durch. Inwiefern ist es wichtig in der Planung des Unternehmens eine Zielgruppe für das Produkt oder die Leistung zu definieren? Und, hast du Tipps für Neugründer:innen, die Schwierigkeiten haben ihre Zielgruppe zu finden?

Mark: Aus meiner Sicht ist es elementar die eigene Zielgruppe zu kennen, um zum einen das Produkt oder den Service gezielt auf diese auszurichten, und zum anderen die Ansprache und Kommunikation zielgruppenspezifisch gestalten zu können. Ein gutes und kostenloses Tool hierfür ist beispielsweise der Facebook Werbeanzeigenmanager und die dort vorhandene „Audience Insights“-Funktion.

Je nach Dienstleistung oder Produkt kann es zudem sinnvoll sein, die Zielgruppe schärfer zu definieren und stärker in die Nischen zu gehen. Grundsätzlich hat für mich die Nischenpositionierung den Charme, dass man meistens weniger Konkurrenz hat, und die  (immer teurer werdenden) digitalen Anzeigenplätze noch nicht ganz so umkämpft sind.

4. Hast du Tipps, wie man die Gründung zeitlich am besten planen sollte?

Mark: Sofern man plant eine Kapitalgesellschaft zu gründen, sollte man für den Prozess von dem ersten Notartermin, bis zur Aushändigung einer Steuer-ID, mindestens acht Wochen einplanen. Ich würde nach meinen eigenen Erfahrungen sogar empfehlen, mit 13 Wochen zu rechnen – das nimmt einem viel Druck und Unmut, falls es doch mal etwas länger dauern sollte.

5. Wie können Neugründer:innen vermeiden, zu schnell und zu viel Geld zu investieren?

Mark: Das hängt natürlich stark von der Branche und der Geschäftsidee ab. Aber gerade im Bereich Handel gibt es heutzutage häufig die Möglichkeit, einen Dropshipping-Dienstleister zu nutzen, um sowohl das Risiko der Warenbeschaffung, als auch der Logistik anfänglich auszulagern. Das Dropshipping bedeutet im E-Commerce, dass ein Online-Händler Ware verkauft, die er selbst gar nicht auf Lager hat, diese also bei einem anderen Handel bestellt. Manchmal bedarf es vielleicht etwas mehr Kreativität, um hohe Investitionen zu Beginn zu vermeiden, aber häufig findet sich hierfür eine Lösung. Zum Beispiel haben die Gründer von Dropbox damals einfach ihre Idee in einem Video erklärt, und E-Mail-Adressen eingesammelt um das Nutzungspotential abschätzen zu können. Das Produkt hatten sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertiggestellt. Sie haben sozusagen ihre Geschäftsidee überprüft, sich damit abgesichert, und den Weg für Investitionen geebnet.

6. Welche Tools machen dir deinen Gründeralltag einfacher?

Mark: Auch hier dürfte es wieder einige Unterschiede je nach Branche- beziehungsweise Zielgruppe geben. Aber um einige praktische- und in der Basisversion kostenfreie Tools zu nennen: Für das Projektmanagement nutzen wir Meistertask, für kreative Sessions Miro, Videocalls machen wir über Jitsi Meet, und unsere ganzen Unterlagen organisieren wir im GoogleDrive. Zu guter Letzt kein Tool, aber dennoch ein hilfreicher Tipp: die Webseiten der IHKs liefern viele nützliche Infos und Vorlagen – vom Business Plan bis zum Gesellschaftsvertrag findet man hier gute Muster, sodass man das Rad nicht neu erfinden muss.  

7. Wie können Gründer:innen ihre Buchhaltung und Steuerklärung richtig machen?

Mark: Sofern es keine besonderen Anforderungen (wie beispielsweise in unserem Fall einen rundum digitalen Prozess) gibt, eignet sich eine standardisierte, digitale Buchhaltungslösung. Dadurch wird die Organisation der Buchhaltung übersichtlicher und einfacher für den Steuerberater. Für die eigentliche Suche nach dem Steuerberater, kann es hilfreich sein Suchmaschinen-und Portale, wie zum Beispiel von DATEV, zu nutzen. Am verlässlichsten ist meiner Erfahrung nach aber immer noch die persönliche Empfehlung. Wenn es eine Steuerberatung gibt, die sich in deinem Bekanntenkreis bewährt hat, ist das auch eine gute Anlaufstelle für dein Startup.

8. Hast du einen ultimativen Tipp, den du für die Gründung eines Unternehmens geben kannst?

Mark: Es ist vielleicht kein Geheimnis, aber wird oft vernachlässigt: Setze dir SMARTE Ziele. Das bedeutet konkret: Mache dir schon frühzeitig für dich bzw. mit deinen Mitgründern klar, was ihr kurz- aber auch mittel- und langfristig erreichen möchtet. Es ist aus meiner Sicht extrem hilfreich, konkrete, realistische Ziele mit einer Frist aufzuschreiben, zum Beispiel: „Wir erzielen 100.000 Euro Umsatz innerhalb von 12 Monaten oder 10 Prozent Marge bis zum 31.12.2022″. Ihr solltet diese Ziele regelmäßig betrachten, und euch bei wiederholtem Nicht-Erreichen prüfen, was ihr ändern könnt oder ob ein kompletter Richtungswechsel notwendig ist. Das hört sich vielleicht hart an, ist aber in der Realität manchmal unvermeidbar.

Autorin Miriam van Meter.

Über die Autorin:

Miriam Van Meter

„Als neues Mitglied des VR Smart Guide Teams bin ich jede Woche wieder gespannt zu sehen, was auf mich zukommt. Die Erstellung von Content auf Social Media und der Website bietet täglich neue Herausforderungen und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten. Durch meinen geisteswissenschaftlichen Hintergrund, ist mir die Kommunikation mit den Nutzer:innen sehr wichtig. Da ich selbst noch sehr neu in der Finanzwelt bin, merke ich immer mehr, wie schwierig das Verwalten und Managen der eigenen Finanzen sein kann, und wie wichtig es ist den Nutzer:innen eine klare Übersicht zu geben. Ich hoffe sehr, dass ich mit meiner Arbeit zukünftigen Unternehmern den Einstieg in den Finanzalltag erleichtern kann.“

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